Ein absehbares Desaster

Ein doppelter Abiturjahrgang in Niedersachen und Bayern sowie das Ende der Wehrpflicht in Deutschland führen laut einer aktuellen Studie bereits zum bevorstehenden Wintersemester zu einem massiven Studienplatzmangel. Eigentlich sollte der Hochschulpakt 2020 das Problem lösen – doch die Situation wird sich weiter verschärfen, so das Fazit der Studie.

Im Wintersemester 2011/2012 werden in Deutschland voraussichtlich 50.000 Studienplätze fehlen, so das Ergebnis einer Studie von CHE-consult, einer Beratungsgesellschaft für Hochschulen. Ein Problem, das mit dem Hochschulpakt 2020 verhindert werden sollte, denn darin verpflichten sich Bund und Länder bis 2015 finanzielle Mittel für mehr Studienplätze zur Verfügung zu stellen. Da bis 2016 alle Bundesländer (bis auf Rheinland-Pfalz) auf ein Abitur nach zwölf Jahren umstellen und zum 1. Juli 2011 die Wehrpflicht weggefallen ist, rechnete man mit 275.000 zusätzlichen Studienanfängern in den kommenden vier Jahren. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen.

Rettungspaket für Studierende

Obwohl in der ersten Phase des Hochschulpaktes (2007 bis 2010) mehr als die geplanten 91.300 zusätzlichen Plätze geschaffen wurden – und zwar 182.000 – so fehlen nach jüngsten Kalkulationen bis 2015 weitere 200.000 Plätze, also 50.000 pro Jahr. „Die Hochschulen und Städte sind schon jetzt mit den vielen neuen Studierenden völlig überfordert“, beklagt Mareike Strauß vom Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppe. „Rettungspaket für Studierende – jetzt!“, lautet die Forderung der Jusos auf die akute Studienplatzknappheit. Von Bildungsministerin Annette Schavan verlangen die Jungsozialisten endlich zu handeln. „Von Beginn an wurde beim Hochschulpakt mit zu wenigen Studierenden gerechnet. Die Studierenden dürfen nun diesen Fehler ausbaden“, fürchtet Mareike Strauß. Daher müsse der Etat des Hochschulpaktes endlich aufgestockt und die Deckelung aufgehoben werden. „Für alle, die anfangen zu studieren, muss auch das Geld dafür da sein, es zu beenden.“

Dem Studienplatzmangel folgen weitere Probleme, unter anderem ein schlechtes Betreuungsverhältnis von Studenten und Professoren. Zwar sei das Personal der Hochschulen aufgestockt worden, heißt es im Bericht von CHE-consult, jedoch habe sich das „quantitative Betreuungsverhältnis junger Erstsemester zu Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen in allen Ländern ausnahmslos verschlechtert.“ Grund dafür: Es werden vor allem wissenschaftliche Mitarbeiter, aber kaum neue Professoren eingestellt. Dabei ist es im Zuge der Globalisierung im Hochschulbereich – mit der Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen – für Universitäten besonders wichtig, sich international zu profilieren und ihre Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Zulassungschaos

Ein neues System sollte das Problem des Studienplatzmangels „entschärfen“ und jährlich rund 20.000 nicht besetzte Studienplätze vergeben. Laut T-System, jener Firma, die mit der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) die Software entwickelt hat, sei die nötige Infrastruktur und das Programm vorhanden. Doch die Umsetzung stockt. Woran liegt’s? Es würden die benötigten Schnittstellen zu den einzelnen Hochschulen fehlen, heißt es. Die Universitäten wollen ihre Autonomie bei der Bewerberauswahl vermutlich nicht aufgeben.

In der Berliner Morgenpost äußerte sich dazu der SPD- Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann: „Wir können es uns nicht leisten, dass auch in den nächsten Semestern wieder 20.000 und mehr Studienanfänger aufgrund des Zulassungschaos’ umbesetzt bleiben. Das bisherige Verfahren ist nicht nur eine handfeste Blamage für alle beteiligten, sondern auch ein Desaster für die Studieninteressierten und die Hochschulen.“ Die vom Bund bereitgestellten Mittel sind schon aufgebracht und eine Lösung ist nicht in Sicht. Sollte es dabei bleiben, werden auch 2012 etwa 50.000 Studienplätze fehlen – und auch 2013, 2014 …