
Die Rhein-Main-Hallen (RMH) sind ein nicht zu vernachlässigbarer Faktor für den Wiesbadener Arbeitsmarkt. Neben den direkt bei der RMH GmbH Beschäftigten gibt es Arbeitsplätze bei externen Dienstleistern und Lieferanten für die Ausstellungen, Kongresse oder Kulturveranstaltungen. Die Besucherinnen und Besucher dieser Veranstaltungen geben auch außerhalb der Hallen Geld für ganz unterschiedliche Dinge aus, sie gehen Essen, übernachten vielleicht sogar in Wiesbaden, fahren mit dem Taxi und vieles mehr. Auch dadurch werden Arbeitsplätze gesichert.
Das Institut „ecostra“ hat im Auftrag der Stadt diese Effekte zu schätzen versucht und 2009 ein Gutachten „Auswirkungsanalyse einer möglichen umbaubedingten längerfristigen Schließung der Rhein-Main-Hallen …“ vorgelegt. Es soll die sogenannte „Umwegrentabilität“ des Hallenbetriebs aufzeigen, also die Rentabilität, die nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung der RMH GmbH zu finden, aber für die Stadt trotzdem sehr wichtig ist.
Das zitierte Gutachten von „ecostra“ geht von 60 Arbeitsplätze in den Hallen aus (direkt Beschäftigte) und von weiteren ca. 225 Arbeitsplätze bei externen Dienstleistern und Lieferanten, die bestimmt nicht alle aus Wiesbaden und der Region kommen.
Zusätzlich seien 65.400 Übernachtungen p.a. in Wiesbaden und weiteren 27.800 Übernachtungen in der näheren Region (vgl. S. 71) auf die Veranstaltungen in den Rhein-Main-Hallen zurückzuführen. Dies soll 84 Arbeitsplätze in Wiesbaden und 36 in der Region sichern. Die Zahlen wurden ermittelt, indem für die verschiedenen Veranstaltungstypen in den Rhein-Main-Hallen die „Erfahrungswerte“ der Tourismusbranche über Übernachtungsverhalten herangezogen wurden.
Dieses Verfahren gilt auch für die weiteren Analysen des Gutachtens. Es gab zwar Expertengespräche/-interviews mit Messe- und Kongressveranstaltern, Vertretern der Gastronomie, des Handels und des Taxiverbandes in Wiesbaden, aber die Schätzung der Ausgaben der Besucher der Hallen gründeten sich – wie bei den Übernachtungszahlen – auf durchschnittliche/übliche Koeffizienten ohne direkten Bezug zu Wiesbaden.
So ermittelte Ecostra weitere 298 Arbeitsplätze in Wiesbaden und 34 in der näheren Region, die den übrigen Ausgaben (ohne Übernachtungen) der Besucher der Hallen zuzuschreiben sind.
Insgesamt beträgt der so genannte primäre Arbeitsmarkteffekt nach „ecostra“ maximal 730-740 Vollzeitbeschäftigt in Wiesbaden und der Region. Und für Wiesbaden? Bestimmt unter 600 – vermute ich. Das sind die Zahlen, die zurzeit in der politischen Diskussion die große Rolle spielen.
Die Beschäftigten konsumieren einen großen Teil ihres Einkommens, so dass weitere Arbeitsplätze in Wiesbaden indirekt von den Rhein-Main-Hallen abhängen. „ecostra“ unterlässt es – wohlweislich – diese Sekundäreffekte ebenfalls zu quantifizieren. Es müssten sehr viele Annahmen getroffen werden, um hier – wie valide auch immer – Quantifizierungen vorzunehmen zu können; z.B. wie viele der ehemals Beschäftigen verlassen die Region? Zu welchem Teil werden die Einkommensverluste durch Transferzahlungen kompensiert?
Fazit
Die Zahlen des Gutachtens sollen – so der Titel – die Auswirkungen einer umbaubedingten längerfristigen Schließung belegen. Sie überschätzen aber den ökonomischen Effekt einer temporären Unterbrechung der Bespielbarkeit der Rhein-Main-Hallen stark. So würden während der Bauphase z.B. nicht die ganze Geschäftsführung und ihre Stäbe entlassen werden, sondern sie müssten sich weiter um Marketingaufgaben zur Vorbereitung der Neueröffnung kümmern, die Baufortschritte kontrollieren etc. Die Hotels dürften auch in der Lage sein, einen Rückgang ihrer Übernachtungen um gerade einmal 6 % bis 7 % mindestens zu einem großen Teil durch andere Gäste auszugleichen. Diese werden dann ebenfalls in Wiesbaden essen, trinken und Andenken kaufen. Die Nachfrage nach Hotelzimmern scheint in Wiesbaden außerdem sehr groß zu sein, denn es wird zurzeit die Neueröffnung eines weiteren Hotels geplant.
Dagegen dürften die von Ecostra ermittelten Zahlen über die sogenannte Umwegrentabilität die langfristige Bedeutung der Rhein-Main-Hallen für den Wirtschaftsstandort Wiesbaden unterschätzen. Denn ohne eine große Kongresshalle würde die Stadt an Bedeutung verlieren und könnte nicht mehr im Konzert der der Messe- und Kongressstandorte mitspielen.