Christoph Manjura, Rede in der Stadtverordnetenversammlung zum Haushaltsentwurf

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

der Eintritt der SPD in die Stadtregierung nach der letzten Kommunalwahl 2011 war mit zwei großen Zielen überschrieben:
Wir wollten zum einen das soziale Netz in unserer Stadt noch enger knüpfen.
Und wir wollten uns zum anderen zentralen Entwicklungsprojekten annehmen, die zuvor – sei es aufgrund politischer Streitigkeiten oder sei es aufgrund mangelnden Gestaltungswillens – liegen geblieben waren.
Dazu zählten unter anderem
– der Neubau der Rhein-Main-Hallen,
– die Ausweisung neuer Flächen für den Wohnungsbau,
– eine spürbare Belebung des zuvor nicht mehr stattgefundenen Mietwohnungsbaus,
– das Erarbeiten nachhaltiger Lösungen für neuralgische Orte in der Stadt, wie das Alte Gericht oder am Kureck,
– die Umsetzung der Energiewende vor Ort oder
– die Re-Attraktivierung des Öffentlichen Personennahverkehrs.

Von größerer Relevanz für unsere heutige Generaldebatte zum Doppelhaushalt 2016/2017 ist sicherlich Ersteres. Gestatten Sie mir daher etwas näher auf das Er-reichte der vergangenen Jahre einzugehen.

Ein Kernanliegen war und ist für uns eine gute, verlässliche Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unter Federführung der SPD-Sozialdezernenten Arno Goßmann und vorher Axel Imholz haben wir daher die Krippenplätze in unserer Stadt massiv ausgebaut (von etwa 25 Prozent Versorgungsquote auf derzeit knapp 40 Prozent, also von etwa 2.090 auf 3.187 Plätze). Damit gewährleisten wir den seit Sommer 2013 geltenden Rechtsanspruch für unter 3-jährige.
Obwohl es bei der Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder keinen Rechtsan-spruch gibt, haben wir auch hier das Platzangebot deutlich erweitert.

Dass wir den Ausbau der Kinderbetreuung unter schwierigen Rahmenbedingungen bewältigen, dürfte den meisten hier im Raum bekannt sein. Bei den Kindertagesstätten tragen wir als Stadt derzeit 74 Prozent der Betriebskosten, 11 Prozent kommen von den Eltern, das Land trägt gerade einmal 15 Prozent. Bei der Grundschulkinderbetreuung hält sich die finanzielle Beteiligung des Landes noch mehr in Grenzen. Angesichts der schwierigen Haushaltslage und der strukturellen Unterfinanzierung der hessischen Kommunen, müssen wir daher heute festhalten:
Ja, wir garantieren den Rechtsanspruch auf Betreuung für unter 3-Jährige.
Ja, wir arbeiten in unseren Kitas mit hohen pädagogischen Standards.
Ja, unsere Gruppengrößen sind aus guten Gründen weiterhin kleiner als das Kinderförderungsgesetz es zulassen würde.
Aber: Wir sind jetzt an eine Grenze geraten, an der wir gemeinsam überlegen müs-sen, wie es uns gelingen kann den Ausbau der Kinderbetreuung fortzusetzen – und zwar unter der Voraussetzung einer sozial gerechten Gebührenordnung und der Beibehaltung unserer pädagogischen Standards.

Eine gute Sozialpolitik – und zwar von Anfang an – ist für eine Stadt, in der es gerecht zugehen soll, unerlässlich:
Wir haben deshalb sechs „Kinder-Eltern-Zentren“ in unserer Stadt nachhaltig in unserem Haushalt verankert und ein siebtes für die Stadtteile Kastel/Kostheim eingerichtet. Wer die Arbeit der KiEZe kennt, weiß, dass diese bereits nach wenigen Jahren ihrer Existenz aus dem sozialen Netz unserer Stadt nicht mehr wegzudenken sind.
Wir haben bei der Bezirkssozialarbeit acht neue Stellen geschaffen, um den erhöh-ten gesetzlichen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Jugendämter gerecht zu werden. Und wir haben damit gezeigt, dass in unserer Stadt nicht erst etwas passieren muss, ehe wir zum Schutze der Kinder und im Sinne der Familien handeln.

Wir haben die Schulsozialarbeit auf den notwendigen Bedarf hin ausgebaut und gewährleisten damit für unsere Jugendlichen einen guten Übergang zwischen Schule und Beruf. Die Wiesbadener Schulsozialarbeit, die es sage und schreibe bereits seit 1977 gibt, ist mit ihrem Kompetenz-Entwicklungs-Programm ein einziges Erfolgsmodell!

Laut dem letzten Geschäftsbericht haben
„ […] mit 53% […] so viele Jugendliche die Schulen mit Schulsozialarbeit mit mittle-rem Bildungsabschluss verlassen wie noch nie. Mit 28% Übergang in Ausbildung konnte nicht nur ein Zuwachs von 5% erreicht werden, das Niveau schließt an die erfolgreichen Jahre 2011 und 2012 an. In der Quantität sind dies 215 Ausbildungs-stellen. Seit 2007 hat die Kompetenzagentur 1.464 stark benachteiligte Jugendliche betreut und die soziale und/oder berufliche Integration hergestellt.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin froh und erleichtert, dass es uns zu Beginn der Wahlperiode nicht nur gelungen ist die Schulsozialarbeit auszubauen, sondern dass wir dieses so wichtige Angebot auch vollumfänglich aufrechterhalten können.

Ein weiterer Baustein für unser gutes soziales Netz in Wiesbaden sind unsere Be-schäftigungsträger. Während andere Städte aufgrund der Kürzungen von Bundes-geldern unter der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung ihre Beschäftigungsinitiativen abbauen beziehungsweise ganz schließen mussten, ist es uns gelungen, die Wiesbadener Jugendwerkstatt, die Bauhaus Werkstätten oder das Johannesstift zu erhalten – und das zu einem nicht unerheblichen Teil mit kommunalem Geld. Ich will nochmal betonen, dass dies beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Und ich bin in puncto WJW sowohl dem Amt für Soziale Arbeit dankbar, das Ende vergangenen Jahres mit Jugendhilfemitteln der WJW bei ihrer Neuausrichtung unter die Arme gegriffen hat, als auch Stadtrat Detlev Bendel, der dies immer wieder mit Mitteln aus der Beschäftigungsförderung tut. Und ich bin froh, dass hier im Haus – dies belegen beispielsweise die gleich lautenden Anträge der Grünen im Finanzausschuss – eine große Einigkeit darüber herrscht, dass die Zahl der Ausbildungsplätze erhalten bleiben muss.
Und auch dies ist letztlich gelungen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mit dem Schelmengraben haben wir einen weiteren Stadtteil in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen und gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch mit der GWH – dem größten Wohnungsunternehmen dort – bereits eine spürbare Aufwertung des Stadtteils erzielt. Auch diese Arbeit können wir mit Bauhaus, unserem Träger dort für die Gemeinwesenarbeit, fortsetzen.

Dies sind nur einige wenige Beispiele einer gelingenden Sozialpolitik, die zeigt, dass es uns um Teilhabe geht: Um die Teilhabe an Bildungsangeboten, die Teilhabe an Arbeit, die Teilhabe am gesellschaftlichem Leben von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter hinein, beispielsweise bei den Angeboten im Nachbarschaftshaus, bei der LAB oder im Treffpunkt Aktiv im Bergkirchenviertel. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir auch unsere Angebote für Senioren aufrechterhalten können!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen galt es für uns, all diese und noch weitere Errungenschaften, aber auch Notwendigkeiten einer gelingenden Sozialpolitik abzusichern und es ist uns – natürlich auch mit weitreichender Zustimmung der Opposition – gelungen.

Zur gesellschaftlichen Teilhabe trägt zweifelsohne auch das soziale und kulturelle Leben in den Stadt- und Ortsteilen bei. Ein wichtiger Faktor sind hierfür die Bürger-häuser. In dieser Wahlperiode standen für uns der Bau eines Haus der Vereine in Dotzheim und der Neubau des Bürgerhaus Medenbach im Vordergrund. Mit den nun beschlossenen, so genannten Prio-Mitteln im Investitionsbereich, ist der Bau der beiden Häuser nun finanziert. Ich denke, das sind nicht nur für Dotzheim und Medenbach gute Nachrichten.

Wiesbaden zeichnet sich durch eine gute und vielfältige Bäderlandschaft aus, die es aufrecht zu erhalten gilt. Ich freue mich darüber, dass wir aus den Prio-Mitteln für deren Instandhaltungen dringend benötigtes Geld für das Kleinfeldchen und das Kallebad zur Verfügung stellen können.

Der große Schwerpunkt im Investitionsbereich – den wir hier im Haus auch sicherlich uneingeschränkt teilen – liegt aber bei den Schulen. Neben den ohnehin schon im Kämmererentwurf vorgesehenen Mitteln, ist es Kämmerer Axel Imholz gelungen, dem Land eine weitere Darlehensaufnahme von 10 Millionen Euro schmackhaft zu machen und damit für diesen so wichtigen Bereich vom Prinzip Nettoneuverschuldung Null abzuweichen. Lieber Axel, hab herzlichen Dank für Deinen Einsatz.

Darüber hinaus ist es kein Geheimnis mehr, dass wir die kompletten Mittel, die uns das Land im Rahmen des Kommunalen Investitionsprogramms zur Verfügung stellt, für den Schulbau verwenden werden. Mein Kollege Hendrik Schmehl wird für den Bereich Schule und Kultur sicherlich noch das ein oder andere ausführen. Anschließend an meine Äußerungen im Finanzausschuss, möchte ich aber nochmal betonen, dass wir die jetzt herrschende Einigkeit beim Thema Schulbau noch einige Jahre Einsatz an den Tag legen müssen. Nur so kann es gelingen, den Mittelabfluss im Schulbaubudget so zu verändern, dass wir parallel mehr Maßnahmen angehen können, ohne am Ende halbfertige Baustellen zu produzieren. Ich bin angesichts der hinter uns liegenden Beratungen aber optimistisch, dass wir dies gemeinsam hinbekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition,

natürlich ist es unbefriedigend, wenn die Regierungskoalition Ihren Anträgen bei den Haushaltsberatungen nicht zustimmt. Deshalb will ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen, dass dies weniger was mit den Inhalten Ihrer Anträge zu tun hat. Denn:
Natürlich würden wir den Kulturinitiativen gerne höhere Zuschüsse geben. Natürlich erachten wir es als sinnvoll flächendeckend und wie im Gesetz vorgesehen Willkommensbesuche bei allen Wiesbadener Eltern zu machen;
Natürlich wäre es gut, wenn wir nicht nur eine Klimamanagerin einstellen, sondern gleichsam auch schon die ersten 50 Maßnahmen aus dem Konzept umsetzen wür-den. Und natürlich reichen die jetzt zur Verfügung gestellten Mittel für den Schulbau nicht aus, um den Sanierungsstau abarbeiten zu können. Und natürlich wird auch die Freiherr-vom-Stein-Schule zur Betreuenden Grundschule, wenn sie neu gebaut ist.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
mehr als die Rückführung der von uns zur Verfügung gestellten Mittel zur Abmilde-rung des Spardrucks, mehr war einfach nicht drin.
Und so bitte ich einfach um Verständnis dafür, dass wir unter der Prämisse einen genehmigungsfähigen Haushalt zu verabschieden und unter der Prämisse, dass wir die zur Verfügung gestellten 15 Millionen Euro samt den 4 Millionen Euro Entlastungsmitteln des Bundes für den Sozialbereich dazu verwandt haben, Bestandskürzungen soweit es nur geht zu vermeiden.
Dass Sie dieses Ziel grundsätzlich teilen, zeigen ja die großen Überschneidungen bei den Haushaltsanträgen, beziehungsweise die große Zustimmung zu den Anträgen der Koalition. Und ich bitte um Verständnis dafür, dass wir angesichts der verbleibenden fünf Millionen Euro an Kürzungen und einiger offener Punkte, die wir noch zu lösen haben, eben keinen Spielraum für weitere Zusetzungen oder gar den Beschluss neuer Projekte gesehen haben.
Ohne eine möglichst baldige Haushaltsgenehmigung sind solche Beschlüsse näm-lich nicht allzu viel wert. Das gilt für unseren Ergebnishaushalt genauso wie für die Frage der Investitionen und das schon genannte Prinzip der Nettoneuverschuldung Null.

Und dann landen wir wieder bei den Rahmenbedingungen, unter denen wir Kommunen derzeit haushalten müssen.
Laut hessischem Städtetag fehlt den Kommunen in Hessen jährlich eine Milliarde Euro für eine auskömmliche Finanzierung.
Seit dem Jahr 2011 entnimmt die hessische Landesregierung jährlich 340 Millionen aus dem Kommunalen Finanzausgleich!
Bei der Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs werden uns lediglich 90 Prozent der Ausgaben für die Bewältigung der uns übertragenen Aufgaben aner-kannt!
Die Investitionstätigkeit der hessischen Kommunen ist in den letzten Jahren im Zuge der Schutzschirmdebatten spürbar zurück gegangen – zulasten der öffentlichen Infrastruktur!
Und während man sich in Berlin für schwarze Nullen feiern lässt, obliegt es uns Kommunen an der Steuer- und Gebührenschraube zu drehen, um irgendwie das zu finanzieren, was eigentlich für unser Gemeinwohl lässt unabdingbar geworden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Stephan Belz hat vergangene Woche an gleicher Stelle gesagt, dass man sich mit Steuererhöhungen keine Freunde macht. Diese Aussage ist so einfach wie richtig. Als wir zu Beginn des Jahres jedoch feststellen mussten, dass unsere Einnahmen nicht mehr mit den lediglich ins Jahr 2016/17 fortgeschriebenen Ausgaben einhergehen, da war für uns schnell klar, dass wir unseren städtischen Haushalt nicht nur mit der Kürzung von Ausgaben, sprich mit dem Abbau von Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger, in den Griff bekommen. Vielmehr musste auch die Einnahmeseite in den Blick genommen werden.
Die Sinnhaftigkeit der Zweitwohnungssteuer ist mittlerweile unbestritten, denke ich. Die Mehreinnahmen über die Einkommensteuer und die Schlüsselzuweisungen werden uns ab dem nächsten Doppelhaushalt sicherlich helfen.
Die Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer wird uns vom hessischen Finanzminister ja geradezu aufgedrängt, da uns mittels der Nivellierungshebesätze sonst Einnahmen zugerechnet werden, die wir gar nicht haben. Ich denke, dass wir mit dem massiven Ausbau der Kinderbetreuung in Wiesbaden aber auch ein weiteres Faustpfand für die Erhöhung der Gewerbesteuer haben. Und ich wiederhole es hier gerne nochmal: Ich sehe dies als Beitrag der Wirtschaft für eine gute und verlässliche Kinderbetreuung in unserer Stadt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur viel zitierten AG Struktur sagen. Die Idee einer AG Struktur ist auch aus der Einsicht heraus entstanden, dass Pauschal-kürzungen nicht sachgerecht und zielführend sind. Ziel der AG muss es deshalb sein, die von der Stadtverwaltung erbrachten Leistungen zu systematisieren. Dabei gilt es – bei aller Unsinnigkeit ist dies nun mal die Grundlage – zwischen gesetzlichen Pflichtleistungen und freiwilligen Leistungen zu unterscheiden. Es gilt bei den freiwilligen Leistungen womöglich Dinge zu entdecken, die verzichtbar geworden sind oder aber zu schauen ob diese anders erbracht werden können, sofern sie nicht verzichtbar sind. Für diesen Prozess sollten wir der Stadtverwaltung Zeit und unsere Rückendeckung geben. Wir haben dort nämlich sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Zum Abschluss möchte auch ich mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei Kämmerer Axel Imholz, vor allem aber bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei, für die gute Vorbereitung und Begleitung der Beratungen bedanken.

Mit dem vorliegenden Haushalt erhalten wir das von uns in den letzten Jahren enger geknüpfte soziale Netz in unserer Stadt. Wir setzen vor allem beim Schulbau im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten einen deutlichen Schwerpunkt auf Investitionen in die Zukunft unserer Stadt. Und wir setzen den Kurs solider Finanzen fort, um auch noch in Zukunft Gestaltungsspielräume zu haben.

Die SPD-Fraktion wird dem Haushalt am 17.12.2016 daher zustimmen.

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Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Christoph Manjura

Zu Tagesordnungspunkt I.1
„Entwurf der Haushaltssatzung der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Jahre 2016/2017
in der Stadtverordnetenversammlung am 26. November 2015

Es gilt das gesprochene Wort