Armut ist weiblich?!

Über Altersarmut wird viel geschrieben und diskutiert. Am Mittwochabend wurde das Thema auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Wiesbaden beleuchtet.
Als Referentin erläuterte Dr. Rabea Krätschmer-Hahn, Sozialplanerin im Amt für Soziale Arbeit der Landeshauptstadt Wiesbaden, Daten, Zahlen, Fakten weiblicher Armutsrisiken in Wiesbaden. Auffallend bei der statistischen Auswertung von ihr war, dass die Anzahl teil- und ausschließlich geringfügig beschäftigter Frauen in Wiesbaden weiterhin mit insgesamt 51% auf hohem Niveau ist (zum Vergleich: bei den Männern sind es 22 %). Diese geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse sind selbstredend eine Hauptfaktor für spätere Altersarmut. Ebenso wie die Lebenslage „alleinerziehend“ ein strukturell weibliches Armutsrisiko darstellt.
Welche Anforderungen gibt es hieraus an die Politik? Zur Beantwortung dieser Frage standen Lisa Gnadl, MdL, stv. Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der SPD Fraktion im Hessischen Landtag, und Simon Rottloff, Bundestagskandidat der SPD Wiesbaden zur Verfügung.
„Wir müssen auf Landesebene anfangen“ so Lisa Gnadl in ihrem Statement, „kostenlose Bildung von der Krippe bis zum Hochschulabschluss und der Ausbau echter Ganztagsschulen sind wichtige Forderungen der SPD an die Landesregierung“ und führte weiter aus, dass in vielen Familien wegen hoher Kosten die Entscheidung gegen Kinderbetreuung ausfällt, weil sich eine Berufstätigkeit der "Zuverdienerinnen", also meist der Mütter dann schlichtweg nicht lohne. „Tradierte Bildungsorientierung ist ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt“ so Gnadl weiter. „Es kann nicht sein, dass die sozialen Berufe, in die größtenteils junge Frauen einsteigen, immer noch schlechter bezahlt sind, als die Berufe in denen häufiger Männer arbeiteten. „Hier muss ein staatliches Umlenken her, auch eine Tätigkeit in sozialen Berufen muss geeignet sein, eine Familie zu ernähren und ein gescheites Auskommen zu sichern“, so Gnadl. Ebenso machte sich die frauenpolitische Sprecherin für ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit stark: "Das brauchen wir dringend, damit insbesondere die vielen Frauen nicht in der Teilzeitfalle bleiben."
„Ein Girls-Day im Jahr macht noch keine Berufsorientierung“, unterstützte Rottloff. Er warb dafür, Mädchen schon früh an die technischen Berufe heranzuführen. „Außerdem müssen die Betriebsräte gestärkt werden, um das Lohntransparenzgesetz auch wirklich umzusetzen. Dies ist eine große Chance dafür zu sorgen, dass die ungleiche Bezahlung von Mann und Frau endlich beendet wird. Gleiche Bezahlung für die gleiche Leistung muss überall in allen Branchen normal sein“. Dies sei ein echter Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut, weil nicht einzusehen sei, dass Frauen auch in sogenannten Niedriglohnbereichen über 20% weniger Lohn erhielten als Männer. Auf Bundesebene forderte er, dass die Steuergesetze familienfreundlicher ausgestaltet werden, „Es kann doch nicht sein,“ so Rottloff „dass Alleinerziehende mehr Steuern zahlen als ein alleinverdienender Ehemann! Das Ehegattensplitting ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten und gehört abgeschafft!“ Darüber hinaus müsse das Elterngeld weiter ausgebaut und die Anreize für „kleine“ Vollzeiten, also Teilzeit von 30 Stunden und mehr, für Mütter und Väter erhöht werden.
Nach zwei Stunden intensiver Diskussion war den überwiegend weiblichen Anwesenden klar, dass Politik noch viel zu tun hat und sie gaben den beiden Politikern für Bund und Land den Auftrag mit, sich hierfür stark zu machen.
Abschließend dankte Susanne Hoffmann-Fessner, Vorsitzende der AsF Wiesbaden, allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die gelungene Veranstaltung und versprach, dass die sozialdemokratischen Frauen zukünftig regelmäßig zu Diskussionsveranstaltungen über frauenpolitischen Themen einladen werden.