Heidemarie Wieczorek-Zeul zum 75. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki

Am 6. August und am 9. August ist es 75 Jahre her, dass die USA 1945 Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki warfen.

Rund 200 000 Menschen verglühten in dem Höllenfeuer dieser Bomben. Hunderttausende Menschen litten in der Folgezeit entsetzlich unter den Verstrahlungen und Krebserkrankungen.

Papst Franziskus sagte nach seinem Aufenthalt in Hiroshima im November 2019: „Ich habe in Hiroshima betont, dass der Einsatz und sogar schon der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist. Auch schon der Besitz von Atomwaffen, denn ein Zwischenfall oder die Verrücktheit eines Verantwortlichen kann die ganze Menschheit zerstören“.

Die Erinnerung an die grauenhafte Erfahrung der Katastrophe von Hiroshima und Nagasaki sollte uns Anlass sein zu sagen:

Wir dürfen nicht ruhen, bis wir diese Waffen gebannt haben und die richtigen Schritte zur vollständigen nuklearen Abrüstung begehen! Eine Welt frei von Atomwaffen ist unser Ziel, das haben wir in unserem Hamburger Grundsatzprogramm der SPD und auch in der Koalitionsvereinbarung 2018 beschlossen.

Im Bewusstsein der Menschen scheint die Bedrohung durch einen Einsatz von Atomwaffen augenblicklich nicht im Vordergrund zu stehen. Denn in den letzten Jahrzehnten ist „es noch immer gut gegangen“. Aber entgegen den Versprechungen des Atomwaffensperrvertrages, dass die Atomwaffenstaaten selber ihre Waffen abrüsten, erleben Atomwaffen in den Militärdoktrinen dieser Staaten ein politisches Comeback!

Das ermutigt andere, ebenfalls auf Atomwaffen zu setzen. Die Konsequenzen sind hochgefährlich:
Es zeichnen sich neue Rüstungswettläufe zwischen den Atomwaffenstaaten, vor allem der USA und Russland ab, die über 90 Prozent aller Atomwaffen verfügen. Die Mißachtung und Unterhöhlung des INF Vertrages durch beide atomare Großmächte hat ein wichtiges Element der Rüstungskontrolle zerstört. Neue technologische Entwicklungen haben zur Schaffung von neuen, hochkomplexen Waffensystemen geführt. Die Herabsetzung der Einsatzschwelle und die Gefahr von Atomkriegen „aus Versehen“ unterlaufen die bisher vereinbarte angebliche „Logik der Abschreckung“. Damit entsteht aber die Gefahr, dass begrenzte Atomkriege wieder denkbar und möglich werden. Und dass sie gewinnbar scheinen!

Das bedeutet, dass Europa und Deutschland die Region wären, auf deren Boden ein solcher Krieg geführt werden könnte! Deshalb ist es in unserem ureigenen Interesse, dass alles getan wird, diesen Gefahren zu begegnen.

Aus meiner Sicht sollte die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterschreiben, den im Jahr 2017 122 Länder in der UN Generalversammlung beschlossen haben! Dieser Vertrag setzt eine neue Norm: Atomwaffen sind ihrer verheerenden humanitären Konsequenzen wegen zu ächten. Staaten dürfen derartige Waffen weder produzieren, noch lagern, noch besitzen oder gar einsetzen!

Bisher hat die Bundesregierung diesen Vertrag aber abgelehnt. Diese Position muss sie endlich ändern!

Als ein wichtiges Zeichen gegen die Gefährdungen atomarer Aufrüstung sollte die SPD auf den Abzug der taktischen Atomwaffen aus Deutschland drängen. Diese Position hatte der Deutsche Bundestag im Jahr 2010 mit den Stimmen aller Parteien beschlossen. Solange die NATO-Strategie noch auf nukleare Waffen setzt, sollte die Bundesregierung den politischen Teil der „nuklearen Teilhabe“ durch ihre Beteiligung an der Diskussion in den NATO Gremien wahrnehmen und ihre kritische Position in diese Gremien tragen. Über die Frage eines möglichen Nachfolgesystems, also möglicher Trägerflugzeuge, darf deshalb auch nicht vor Ende dieser Legislaturperiode entschieden werden.

Lasst uns das Thema einer atomwaffenfreien Welt wieder auf die politische Tagesordnung setzen:
Unser Planet ist gefährdet durch die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels.Er ist aber auch gefährdet durch ein mögliche atomare Apokalypse, die in kurzer Zeit ganze Regionen und die Menschheit auslöschen kann.

Heidemarie Wieczorek Zeul
Bundesministerin a.D.