Wiesbaden ist… eine lebendigere Innenstadt
Ziel des Handlungsprogramms der SPD für die Innenstadt ist es, dass die zentralen Funktionen dieses besonders lebendigen Teils unserer Stadt für das öffentliche Leben, Kultur und Handel erhalten bleiben bzw. gestärkt werden und sich viele Wiesbadener Bürger:innen weiterhin mit ihrer Heimatstadt identifizieren. Im Zentrum des Innenstadtprogramms steht zwar das „Historische Fünfeck“, aber auch die angrenzenden Quartiere sind einzubeziehen. Denn das „Historische Fünfeck“ profitiert von den innerstädtischen Wohngebieten wie selbstverständlich auch umgekehrt.
Erhalt der historischen Bausubstanz: Identifikation für alle
Die SPD hat in den Jahrzehnten nach 1970 für die Innenstadt eine Wende in der Stadtentwicklungspolitik durchgesetzt: weg von der autogerechten Stadt, hin zum Erhalt der durch die Baukunst des 19. Jahrhunderts geprägten historischen Stadtviertel, vor allem durch die Rettung des Villenhangs östlich der Wilhelmstraße („City Ost“) und durch die Umgestaltung der Adolfsallee vom geplanten Autobahnzubringer zu einem Innenstadtpark. Trotz späterer “Bausünden“, wie z.B. die Fassade des Luisenforums und sein überdimensionierter Übergang über die Schwalbacher Straße, verkörpert Wiesbadens Stadtbild nach wie vor einzigartig in Deutschland die Baukunst des 19. Jahrhunderts. Damit sich alle Wiesbadener:innen mit ihrer Stadt identifizieren können, wird sich die SPD weiter dafür einsetzen, dass der besondere historisch gewachsene, reizvolle städtebauliche Charakter der Innenstadt erhalten bleibt. Dafür sind eine Neuordnung des Straßenraums zugunsten von Fußgängern und Radfahrern und eine spürbare Entlastung des „Historischen Fünfecks“ vom Autoverkehr bis 2026 unerlässlich.
Die Innenstadt als Ort des öffentlichen Lebens
Der Innenstadt kommt eine herausgehobene Bedeutung als ein Ort des öffentlichen Lebens zu. Ziel sozialdemokratischer Politik ist eine lebendige Innenstadt, in der sich die Besucher:innen aus Wiesbaden und von außerhalb wohlfühlen und sich gerne – nicht nur zum Einkaufen – aufhalten. Es gilt, die soziale Funktion des öffentlichen Raumes zu fördern – als Treffpunkt, der zum zwischenmenschlichen Zusammenhalt und zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft beiträgt. Wichtig ist deshalb eine strategische Orientierung, die dieser gesellschaftlichen Funktion der Innenstadt Rechnung trägt. Eine besondere Bedeutung bekommt dabei die Neuordnung des Straßenraums in Richtung eines öffentlichen Freiraums mit mehr Aufenthaltsqualität. Fehlplanungen wie die Haltestelle am Platz der Deutschen Einheit müssen zukünftig vermieden und korrigiert werden. Als SPD werden wir uns deshalb für deren Umbau einsetzen und den weiteren Ausbau verkehrsberuhigter Bereiche forcieren, wie die Erweiterung der Fußgängerzone in der Wellritzstraße, die Umgestaltung der Moritz-, Oranien- und Gerichtsstraße sowie der Saalgasse und endlich die Schaffung eines Platzes mit Aufenthaltsqualität rund um die Ringkirche. Auch die Trennungswirkung der Schwalbacher Straße wollen wir durch einen Umbau überwinden – dazu sollen die Querungsmöglichkeiten verbessert und ein begrünter Boulevard auf der innenstadtzugewandten Seite entstehen. In der Innenstadt – und nicht nur dort – sind Grün- und Freiflächen, insbesondere Spielplätze, Orte des Zusammenlebens. Ohne ein Gefühl der Sicherheit rund um die Uhr leidet allerdings das öffentliche Leben beträchtlich. Der Schutz der Parks und eine Aufsicht auf den Plätzen müssen deshalb wieder einen hohen Stellenwert erhalten.
Mit dichter Bebauung und wenigen Freiflächen ist es in Städten meist deutlich wärmer als im Umland. Dieser Effekt wird durch den Klimawandel noch verstärkt und ist eine Belastung für die Menschen in der Stadt. Eine verantwortungsvolle Politik muss klimabewusst agieren. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, Flächen zu entsiegeln und uns generell für mehr Stadtgrün mit vielen Pflanzen und Wasserspielen als natürliche Klimaanlagen einsetzen. Das Programm „Bäche ans Licht“ möchten wir weiter umsetzen.
Die Innenstadt als Ort der Kultur.
Kaum zu übersehen ist die Vielfalt des kulturellen Angebots in der Innenstadt mit ihren zahlreichen Theatern, Museen, Galerien, freien Initiativen, Spielstätten, Veranstaltungsräumen, Kinos, Buchhandlungen und Bibliotheken. Beklagt werden häufig fehlende Räume für Ateliers, Proben, Konzerte usw. Hier sollte die Stadt bei der Erschließung von Räumlichkeiten eine vermittelnde und stärkere Rolle übernehmen. Als SPD setzen uns dafür ein, dass Leerstände auch über Interimsnutzungen durch Kulturschaffende vermieden oder verkürzt werden. Eine Innenstadt ohne Kultur wäre eine Ansammlung von Gebäuden ohne Leben. Aus diesem Grund wollen wir die Walhalla sanieren und kulturell nutzen. Den Kulturentwicklungsplan zur Stärkung des kulturellen Lebens wollen wir umsetzen – davon profitiert auch die Innenstadt.
Stabilisierung und Ausbau des Wohnorts Innenstadt.
Wohnumfeld und Nachbarschaften in der Innenstadt unterscheiden sich deutlich vom Wohnumfeld in den Vororten. Die Sozialstruktur in den innerstädtischen Quartieren scheint sich zu polarisieren. Nur wohlhabendere Haushalte können sich die Mieten in den großzügigen, sanierten Altbauten leisten. Andere Haushalte müssen – mit dem angespannten Wohnungsmarkt in Wiesbaden – auch Wohnlagen an Hauptverkehrsstraßen mit Verkehrslärm und Abgasen in Kauf nehmen.
Ziel sozialdemokratischer Politik ist es, das Wohnen in der Innenstadt zu stabilisieren und künftig verstärkt auszubauen. Deshalb wird sich die SPD für eine Milieuschutzsatzung für das Westend, das Rheingauviertel und die südliche Innenstadt einsetzen. Künftig soll eine gewerbliche Nutzung auch nur noch in Verbindung mit der Schaffung von Wohnraum genehmigt werden. Leerstände sind mit dem Ziel zu erfassen, die Wohnungen wieder dem Markt zuzuführen.
Als SPD werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Stadt Wiesbaden an städtebaulichen Programmen des Bundes und des Landes teilnimmt und sich um Fördermittel bewirbt, um so auch Eigentümer:innen Verbesserungen des Wohnumfelds Stadt zu erleichtern. Dies gilt insbesondere für die Fortsetzungsprogramme zu den Förderprogrammen „Soziale Stadt“.
Die Erhöhung des Wohnanteils rund um die Fußgängerzone trägt zur vielfältigen Entwicklung der Innenstadt bei und verhindert ihre Verödung nach Ladenschluss. Ihr gehört deshalb bei allen innerstädtischen Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit.
Stärkung der Innenstadt als Einzelhandelsstandort.
Unter Innenstadt wird in besonderem Maße die City mit dem Schwerpunkt Einzelhandel verstanden.
Dieser steht aber nicht erst seit der Corona-Pandemie unter dem Druck eines anhaltenden Strukturwandels. Immer mehr Umsatz wandert in den Onlinehandel ab, auch die umfassende Beratung und ein höherer Service des Fachhandels können dessen Vorteile wie Angebotsbreite, Warenverfügbarkeit und Preisniveau trotz aller Bemühungen nicht ausgleichen. Gleichzeitig werden zentrale Innenstadtlagen häufig von Immobilienfonds verwaltet, die eine hohe Renditeerwartung haben. Für den innerhabergeführten Einzelhandel bleibt da wenig Raum.
Die Folgen sind immer mehr Filialen großer Ketten und Resteverwerter mit hohen Margen gepaart mit zeitlich langen und spekulativen Leerständen. Anstatt mit einer geringeren Miete zufrieden zu sein, wird lieber Leerstand in Kauf genommen. Corona verstärkt den Effekt der Verödung der Innenstädte noch, weil Umsätze noch stärker in den Onlinehandel abfließen und vermehrt Insolvenzen und Leerstand drohen. Ebenso drohen Geschäftsgebäude im Besitz von Einzelpersonen noch stärker in die Hand von Immobilienfonds zu wandern – der Renditedruck wird dadurch noch höher.
Ein Ansatz für attraktivere Innenstädte ist die Verlagerung weg vom reinen Einkaufen hin zu einem Aufenthalts- und Freizeiterlebnis. Dabei verbindet sicher Einkauf mit Gastronomie und Veranstaltungsangeboten, die der Onlinehandel nicht bieten kann: Von Straßen und Stadtfesten über Weinstände bis hin zu kulturellen Angeboten.
Aber je stärker die Digitalisierung unser Leben bestimmt, desto stärker verlangen Menschen auch nach einer entschleunigten Gegenwelt, eine analoge Insel im digitalen Meer. Darin sehen viele Experten des Einzelhandels Chancen für die Innenstädte: eine neue Urbanität, ein hochverdichteter Wohnbezirk für alle, die kompakte Innenstadt als Ziel – mit Platz für all jene kleinen Betriebe, die aufgrund des Prinzips der Mietenmaximierung weichen mussten, mit Platz für kleine Läden, vielfältige Start-ups und Werkstätten.
Die Wiesbadener Innenstadt bietet genug Raum, um beide Strategien, „Steigerung der Attraktivität“ und „Neue Urbanität“ zu verfolgen.
Der Markt kann die genannten Probleme aber nicht alleine lösen. Die Herausforderungen sind komplex und vielschichtig. Mit der Berufung eines City-Managers ist bereits ein erster Schritt unternommen, um einen stetigen Austausch zwischen Immobilienbesitzer:innen, Händler:innen und der Stadt zu etablieren. Es sind aber weitere Maßnahmen darüber hinaus zu ergreifen.
Die SPD fordert eine offensivere Rolle der öffentlichen Hand. Wo die Möglichkeit besteht und es planerisch sinnvoll ist, sollen Grundstücke und Gebäude angekauft oder Vorkaufsrechte genutzt werden – auch um über angemessenere Mieten den inhabergeführten Einzelhandel zu unterstützen, soweit das beihilferechtlich möglich ist. Eine Pacht in Abhängigkeit vom Umsatz könnte ein Lösungsansatz auch für private Immobilienbesitzer sein.
Die Bündelung lokaler Marketingaktivitäten und lokaler Onlineangebote (und -shops) muss weiter vertieft werden, da Unternehmen hier ein zweites Standbein zum Publikumsverkehr aufbauen können.
Mehr Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone
Wiesbadens Fußgängerzone braucht eine höhere Aufenthaltsqualität: Mehr Sitzgelegenheiten und Verweilmöglichkeiten ohne Konsumzwang, mehr Bäume und mehr Wasserfläche, aber auch mehr Sauberkeit. Wir wollen einen umfassenden Workshop durchführen, bei dem sich die Bürger:innen aktiv mit der Gestaltung ihrer Fußgängerzone auseinandersetzen.
Die städtebauliche Entwicklung der Fußgängerzone muss fortgesetzt werden. Die SPD strebt eine Überprüfung der städtebaulichen Gestaltung der Gebäude in der Fußgängerzone durch den Gestaltungsbeirat an und will einen Sondertopf einrichten, mit dem bauliche Verbesserungen unterstützt werden können. Insbesondere der Zugangsbereich zur Mauergasse und die rückwärtige Ansicht des Karstadt sind erhebliche Problemstellen. Auch sollte die Gelegenheit, das Gebäude des ehemaligen Karstadt Sport/Kaufhalle in der Langgasse aufzuwerten, unbedingt weiterverfolgt werden.
Die Citypassage muss endlich in Angriff genommen werden. Sollte sich in absehbarer Zeit kein Investor zur Umsetzung des 5-Gassen-Konzeptes finden, dann soll die Stadt ernsthaft in Erwägung ziehen, das Areal selbst zu entwickeln. Es sollte dabei ein neues kleinteiliges Konzept erarbeitet werden, das auch Raum für eine Stärkung der „neuen Urbanität“ aus Wohnen und kleinen Läden lässt. Die vorliegenden Handlungskonzepte zur Steigerung der Attraktivität des Gebiets zwischen der Fußgängerzone und Schwalbacher Straße sowie des Übergangs von der City zum Westend für die städtebaulichen Förderprogramme des Bundes und des Landes „Aktive Kernbereiche“/ „Lebendige Zentren“ sind dabei zu berücksichtigen.
Wiesbadens Plätze – ein Schatz, der gehoben werden muss!
Die Plätze in Wiesbaden fristen ein Schattendasein. Bis auf das repräsentative und oft für Veranstaltungen genutzte Bowling Green fehlt es den Plätzen in der Innenstadt an Aufenthaltsqualität. Diese wollen wir in den nächsten Jahren angehen. Dafür muss ein Konzept erarbeitet werden, dass nicht nur die Plätze, sondern die gesamte Innenstadt mit ihren eignen Identitäten und Nutzungsformen im Blick hat.
Konkret wollen wir:
- verkehrsberuhigter Bereiche ausbauen: Erweiterung der Fußgängerzone in der Wellritzstraße und im Bereich der Saalgasse
- eine Umgestaltung der öffentlichen Räume der Moritz-, Oranien- und Gerichtsstraße mit dem Ziel einer verbesserten Aufenthaltsqualität rund um die Neubauten der Hochschule Fresenius und des alten Gerichts
- eine Verkehrsberuhigung rund um die Ringkirche und Schaffung eines Platzes mit Aufenthaltsqualität
- ein Gestaltungskonzept für Wiesbadens Plätze
- die Vollendung und Belebung des Faulbrunnenplatz durch ein von der Stadt gebautes und verpachtetes Café
- die Bushaltestelle am Platz der Deutschen Einheit umbauen
- das Programms „Bäche ans Licht“ fortführen
- den Rückbau von versiegelten Stellplätzen und „Vorgärten“ fördern
- eine spürbare Entlastung innerhalb des Historischen Fünfecks vom Autoverkehr in den nächsten fünf Jahren
- Leerständen mit dem Ziel erfassen, wieder mehr Wohnungen dem Markt zuzuführen
- gewerbliche Nutzungen nur in Verbindung mit Schaffung von Wohnraum genehmigen
- Workshops zur Gestaltung der Fußgängerzone zur Steigerung der Aufenthaltsqualität durchführen
- Gespräche über die bauliche Aufwertung der Innenstadt mit den Eigentümern und dem Gestaltungsbeirat, insbesondere im Bereich Neugasse/Mauergasse, führen
- die Entwicklung der Citypassage für Handel, Gastronomie und Wohnen vorantreiben
- Sanierungskonzept für eine kulturelle Nutzung der Walhalla und Ausschreibung in 2021
- ein Städtebauförderungsprogramme wie „Lebendige Zentren“ maximal ausschöpfen, um die Vielfalt in der Innenstadt zu fördern
- freies W-LAN in der gesamten Fußgängerzone
- Kindern an Samstagen ein gutes Spiel-, Jugend und Freizeitangebot ermöglichen – In Kooperation mit ausgebildeten Jugendleitern, Jugendverbänden und Vereinen, während Eltern drei Stunden shoppen gehen. Die Angebote sollen je nach Jahreszeit draußen oder drinnen organisiert werden
- eine Vorkaufsrechtssatzung für Geschäftsgebäude im historischen Fünfeck erarbeiten sowie ein Konzept für Pop-Up-Nutzungen für mehr Vielfalt in der Fußgängerzone
- eine weitere Vereinfachung von Sondernutzung für außengastronomische Angebote
- die hier lebenden US-Amerikaner für das Einkaufen in der Innenstadt gewinnen. Hierfür bedarf es der Ansprache und des Dialogs mit dieser Zielgruppe – von entsprechenden Hinweisschildern bis zu gezielten Aktionen.